Das erste Mal
Als Kind sah ich in irgend einer großen Stadt, ich glaube es war Wien, einen Pflastermaler die Tochter von Rubens malen (Clara Serena). Das Bild war größer als ich. Es zog mich an, da mir dieses Mädchenbildnis beinnahe lebendig erschien. Ich dachte für einen kurzen Moment: „das möchte ich auch können“.
Anfang Juli bis Mitte August 2003 bekam ich meinen ersten Auftrag. Es waren Wandmalereien an sechs Ferienhäusern eines indianisch ausgerichteten Kinderferiendorfes auszuführen.
Dieser Auftrag war eine echte Herausforderung den Flächen eine Identität zu geben. Die Unterbrechungen der Fenster und Türen machten es schwieriger. Doch ich denke, ich habe es gut gelöst. Schauen Sie einfach in die Galerie und überzeugen sich selbst. Die großen Wände und der Platz hatten eine Nebenwirkung, alles erinnerte mich an meinen Wunsch als Kind auf der Straße zu malen. Allerdings brauchte ich noch einige Zeit, um mein Vorhaben dann endlich am 1.Mai 2004 umzusetzen.
Doch wie so oft im Leben scheinen Hindernisse nötig zu sein, besonders in der Generalprobe. Eine Freundin kam an diesem besagten Tag mit, was wirklich schön war. So konnte ich mich leichter überwinden, einfach anzufangen. Los geht´s! Wie groß soll das Bild sein? Oh Gott und das mit meiner Rechenschwäche! Schließlich und endlich begann ich, wie ich später erfuhr, viel zu klein, trotz allem ließ der nächste Schwierigkeitsgrad nicht auf sich warten. Der Boden war so glatt, dass die Kreide nicht hielt.
Ich machte viele u.a. Versuche mit Haarspray und siehe da, die Kreide haftete. Inzwischen weiß ich, dass es auch noch andere Möglichkeiten gibt, dank: Edgar Müller. Hinzu kam, dass der Platz uns den ganzen Tag in die Aufmerksamkeitsstellung „Achtung, gleich passiert etwas!“ brachte. Ich erfuhr, dass diese Unruhe eine Spezialität des ersten Mai sei. Tja, um dem Ganzen noch eins draufzusetzen, regnete es am nächsten Morgen und ich fragte mich allen Ernstes, was tue ich eigentlich hier? Na ja, wäre es gut gelaufen, hätte ich gemalt.
Regen, Leinwand und die Vergänglichkeit
So komme ich nun zu der Frage, die mir auch von meinen Zuschauern am häufigsten gestellt wird. „Was passiert wenn es regnet?“. Ist es ein kleiner Schauer, kann ich das Bild mit einer Plastikplane abdecken, bei einem großen Guss macht die Plane keinen Sinn mehr. Das Nass findet seinen Weg so oder so, meist minutenschnell ist das Gemalte Vergangenheit, nur noch schemenhaft zu sehen. Darum ist die naheliegendeste Antwort: „ich gehe nach Haus oder ich fange einfach nochmal von vorn an“ und das ist nicht wirklich schwer. Das Risiko Wetter ist einfach wie es ist. Jeder weiß das, der im Freien arbeitet.
Aus diesem Grund, insbesondere unser verregneter Sommer 2004, und auch weil das Pflaster an vielen Orten hier in Berlin nicht gerade sehr malfreundlich ist, habe ich des öfteren die Leinwand gewählt. Obwohl ich die Vergänglichkeit (Strassenmaler Galerie) der Bilder, die auf der Straße gemalt sind, liebe. Sie zeigen mir einfach, aber auf deutliche Weise: „loslassen!“. Allein ihnen zu zusehen, wie sie sich nach der Fertigstellung manchmal innerhalb von Stunden oder einem Tag verändern.
So komme ich zur nächsten Reaktion: „es ist doch schade um die ganze Mühe.“ Nein, mir ist das Malen wichtig, das Verstehen der Bilder, die ich nachempfinde. Ist es fertig, kann ich tatsächlich gehen und es der Vergänglichkeit überlassen. Außerdem wäre es doch schade, wenn alle Flächen, wo es möglich ist zu malen, fixiert wären. Wie könnten dann alle Straßenmaler/innen neue Bilder in diesem riesigen Freiluftatelier schaffen?
Straßenmalerei: Sinn oder Unsinn?
Trotzdem konnten viele es einfach nicht fassen, die mich ansprachen, dass dieses Bild wie viele zuvor verschwinden wird. „Was macht das für einen Sinn?“ fragte jemand, der so gar nicht locker lassen wollte.Ich fragte zurück „was tun wir gerade?“. Er schaute mich an: „Reden?“ „Ja…“. Doch er gab sich einfach nicht zufrieden, bis ich sagte:„Ich mache das, damit Sie einen Moment lang innehalten und sich besinnen“. Da sprudelte es aus ihm heraus: „Ich mag ja eigentlich keine Engel und doch erinnern Sie mich an meine verstorbene Frau.“ Ein Ehepaar- auch hier ging es wieder um die Sinnfrage, fragte sehr fordernd:„Wieso tun Sie das, können Sie davon leben?“ Zwei Fragen auf einmal, welche zuerst? Ich entschied mich für die Lebensfrage:
„Es liegt ganz bei Ihnen, ob ich davon leben kann!“ Sie schauten mich erstaunt an, dann fiel ihr Blick auf meine Büchse, eine Schrecksekunde in den Augen. In dem Moment, wo ich mich umdrehte, sah ich sie nur noch von hinten. Ein anderes Ehepaar lachte mich dazu an und schüttelte den Kopf: „manche rennen schneller, als Sie denken“ und warfen mir eine Anerkennung in die Box.“ Kinder sind da anders, wenn sie nicht gerade zu gut „erzogen“ sind, sind sie mit Ihrer ganzen Freude am Bild. Fragen mich, wie es geht und am liebsten würden sie sogar mitmachen. Auch sammeln sie furchtlos ihre Münzen aus der Hosentasche und werfen sie in die Büchse.
Die Sinnfrage ist wirklich einfach zu beantworten. Ich möchte Ihren und meinen Alltag mit Farben und Bildern beleben. Wenn Sie stehen bleiben und einfach nur genießen, sich eine Pause gönnen, ist dieses Ziel erreicht. Ist die Frage nach dem „Wieso?“ geklärt. Ich möchte, dass ich etwas von dem geben kann, was ich am besten kann- sei es ein Gespräch oder den Moment der Stille.
Zu der Kommunikation kommt ein wesentlicher Punkt hinzu, ich lerne sehr viel über die verschie-denen Techniken der klassischen Malerei. Besonders, da ich großformatig Denken muss. Was wiederum der Wandmalerei und anderen Möglichkeiten in der Kunstmalerei zu Gute kommt. Mich reizt es aber auch, Gesichter zu malen, gerade wenn ich mit der Leinwand unterwegs bin, besonders zu Personen und Schauspieler zu deren Gesichtern Ton- in Ton- Farben (Galerie) passen.
Hamburg ein Straßenmaler Erlebnis der besonderen Art
In Hamburg nahmen mich einige Obdachlose unter Ihrem Schutz. Besonders kam dieses zum Tragen, da jemand mein Geld aus der Büchse stahl. Worauf hin einer meiner Straßenbegleiter so laut schrie, das könne er doch nicht machen. Daraufhin holte der aufmerksam gewordene Ladendetektiv, aus dem Herrenbekleidungsgeschäft, mir mein Geld zurück. Der Sinn ist auch solidarisch sein miteinander, egal welcher Herkunft oder wie jemand lebt. Eine andere Geschichte, auch in Hamburg am gleichen Bild, ich habe dort etwas länger gebraucht, da mir ein Platzregen dazwischen kam und ein Auto das wohl mit quietschenden Reifen über die Gesichter fuhr.
So begann ich zweimal von vorn. Das Gesicht der Venus von Botticelli wollte mir nicht mehr von der Hand gehen. Meine Laune verschlechterte sich zusehends. Ein Typ gesellte sich zu mir und erzählte mir wirres Zeug. Ich pflaumte ihn an und bat, er möge das bitte woanders tun. Ich müsste den Fehler im Bild finden und kann das jetzt nicht brauchen. Plötzlich war er klar, stellte sich neben mich und wir begannen gemeinsam zu suchen. Eine Frau, teuer in weiß gekleidet, kam hinzu und wir gingen zu dritt auf Spurensuche und wurden fündig. Wir gaben uns die Hände, erleichtert, sogar froh und gingen unserer Wege. Das heißt, ich blieb natürlich, die Venus war nach diesen verschiedenen Misshandlungen immer noch traurig, doch auf dem richtigem Weg.
Wer nicht wagt, der nicht beginnt
Nun möchte ich noch auf das Material und „Gebote“ eingehen. Die Kreide mache ich weitestgehend selbst, so habe ich eine größere Auswahl an Farben. Auf diese Weise kann ich dem jeweiligen Bild gerechter werden. Des weiteren gilt zu beachten: Kreide ohne Öl! Da diese sich nicht richtig der Vergänglichkeit beugen, könnte es zu 99,9 % mit der jeweils hiesigen Obrigkeit Ärger geben, welcher beträchtlich ins Geld gehen kann.
An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass es Städte wie München gibt, wo nur die Straßenmalerei auf Leinwand erlaubt ist und jeden Tag eine neue Erlaubnis von Nöten ist. Das hängt vom jeweiligem Kommunalrecht ab. Ansonsten: darauf ankommen lassen und schauen was passiert oder Passanten ansprechen wo hier in dieser Stadt Straßenmaler /innen gesehen wurden. Mir ist es nicht wirklich verständlich, warum in manchen Orten die Straßenmalerei verboten oder sogar verpönt wird. Sie hat einfach eine lange Tradition und macht doch da, wo gemalt wird, alles viel lebendiger. Und doch gibt es immer wieder Menschen und Behörden die entweder den Weg der Zerstörung oder den Weg der sogenannten, einzuhaltenden Ordnung wählen.
Zu guter letzt.
Der schönste Moment ist, wenn ich den letzten Strich getan habe, die ganze Spannung von mir abfällt, das Bild ist quasi geboren und kann nun sich selbst überlassen werden. Ich schaue mir noch die starken und die schwachen Stellen des Bildes genau an und präge sie mir ein. Das hilft mir, zu lernen und beim nächsten Mal meine Erfahrungen einfließen zu lassen. Ach ja und das letzte Foto! Ich setze mich dann meist beschwingt auf mein Fahrrad und nehme diesen Augenblick der Zufriedenheit.